Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der Bürgeraktion Hilden, Ludger Reffgen,
zur Abstimmung über den städtischen Haushaltsplan für das Jahr 2015 in der Ratssitzung
am 18.03.2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
keine Sorge, ich werde keine lange Rede halten.
Erstens ist meine Stimme erkältungsbedingt angeschlagen.
Zweitens ist mit der Platzierung der Redebeiträge – unabhängig vom
Losverfahren – am Ende einer langen Tagesordnung die Wertschätzung zum
hier Vorgetragenen ohnehin klar zum Ausdruck gebracht.
Und drittens: Ich denke, angesichts des Verlaufs der
Haushaltsplanberatungen wäre eine lange Rede auch völlig unangemessen.
Denn abgesehen von einigen marginalen Änderungen und
zwischenzeitlichen Verwaltungskorrekturen und -aktualisierungen steht der
Haushalt heute so zum Beschluss, wie im Entwurf vorgelegt.
Der Sachstand ist daher schnell beschrieben. Der Haushalt wurde im
Dezember eingebracht – sehr spät, viel später als in den meisten anderen
Städten üblich. Wir meinen zu spät, denn es kommt nicht von ungefähr, dass
eine Reihe Positionen losgelöst von der Haushaltsbeschlussfassung vorab
bewilligt werden müssen.
Damals wurde – unter dem Beifall der Fraktionen – der Status vom Kämmerer
hinlänglich und sorgenvoll beleuchtet:
• Defizit rund 9 Millionen Euro;
• neue Schulden in diesem Jahr rund 6 Millionen, im nächsten Jahr 10
Millionen Euro;
• Gesamtschuldenstand in 2017 über 30 Millionen Euro;
• fiktiver Defizitausgleich durch Griff in die buchhalterisch-künstliche
Ausgleichsrücklage, die dann auch 2018 bis auf einen Rest von 4 Millionen
Euro aufgebraucht ist.
Fazit: Systematischer Eigenkapitalabbau.
Damit war die Situation im Dezember geschildert und bewertet.
Heute, drei Monate später, hat sich daran so gut wie nichts geändert. Wir
stehen am Ende von Haushaltsplanberatungen, in die – wie jedes Jahr – viel
Zeit investiert wird, die sich aber im Laufe der letzten Jahre als immer
substanzloser darstellen.
Sogenannte Haushaltsplanberatungen in gestraffter Form: Überwiegend
zwei Sitzungen an einem Nachmittag oder Abend nach 19 Uhr. Dann zum
Teil verbunden mit Hindernislauf in die Sitzungsräume. Bis zu fünf
Ausschusssitzungen zur Vorbereitung in einer Fraktionssitzung – die
Freizeitpolitiker sollen die Themen schnell durchpeitschen. Der Fehlbetrag
von 9,2 Millionen liegt im Nacken. Aber daran wird sich nichts ändern. Wie
sollte es auch, denn 99 % der Anträge landen im Abstimmungsmüll.
Eigentlich ist es dem Grunde nach für eine Oppositionsfraktion wie der
Bürgeraktion völlig absurd, die Vorlage des Haushaltsentwurfs angesichts
der obwaltenden Umstände in diesem Rat mit detaillierten
Gegenvorschlägen beantworten zu wollen.
Das hat eine Reihe Gründe, die unter anderem mit dem System der
Haushaltseinbringung und Haushaltsberatungen in Hilden zusammenhängen.
Die Misere: Der Kämmerer legt ein Gesamtkunstwerk vor, an dem sich die
Fraktionen abarbeiten dürfen/sollen. Jeder, der daran rüttelt, gefährdet die
Statik.
Grundsätzlich haben hier kleine Fraktionen per se schlechte Karten. Wir
haben es mal mit vielen Anträgen, mal mit wenigen Anträgen versucht. Aber
man könnte sich ja mal – schon gar bei schlechter Haushaltslage – über den
parteilichen Tellerrand hinaus verständigen und im Interesse der Sache
Gemeinsamkeiten ausloten. Das hat die Bürgeraktion im letzten Jahr
versucht. Mit niederschmetterndem Erfolg: Die großen Fraktionen haben
noch nicht einmal geantwortet. Eine Wiederholung erscheint folglich sinnlos.
Vielmehr gefallen sich die großen Fraktionen darin, pflichtschuldigst die
Verwaltungsvorlage zu 99,9 % zu übernehmen, ohne sich der anstrengenden
Aufgabe der politischen Führung unterziehen zu müssen.
Solange sich die Politik nicht dazu versteht, der Verwaltung bereits für die
Haushaltsaufstellung Vorgaben zu machen, wird der Rat auf das defizitäre
Ergebnis wenig Einfluss nehmen können – mehrheitlich vermutlich aber auch
gar nicht Einfluss nehmen wollen. Es sei denn, die Politik würde – wie man es
in der Wirtschaft handhaben würde – den Mut aufbringen, die Vorlage
zurückzuweisen.
Aber solche Gedanken gehören wohl eher in eine kommunale Traumwelt.
Ansonsten ist das politische Instrumentarium zur situationsangemessenen,
ernsthaften Einwirkung sehr begrenzt. Die Bürgeraktion hat sich erneut des
Mittels eines Globalbeschlusses auf Haushaltskürzung um 6 Prozent bedient,
um damit gerecht und budgetübergreifend einige Millionen Euro
einzusparen. Ein Verfahren, das so oder ähnlich in vielen Gemeinden
praktiziert wird.
Dass die Ratsmehrheit, von der Verwaltung angeleitet, den Antrag abgelehnt
hat, hat uns nicht wirklich gewundert.
Demgegenüber hielt sich aber auch die Kreativität der anderen Fraktionen in
sehr engen Grenzen:
Die CDU versucht, die Kultur zum Sparschwein der Stadt zu machen und
erklärt heute achselzuckend, dem Haushaltsentwurf zuzustimmen, weil ihr
nichts Besseres eingefallen sei.
Die SPD stellt Fragen statt Anträge, und im Kulturausschuss erfahren wir,
warum das schließlich so ist: Weil, wie uns Herr Brehmer zum
ungewöhnlichen Verfahren wortreich erklärte, man ja irgendwie der
Öffentlichkeit zeigen müsse, dass man sich mit dem Haushalt beschäftigt
habe.
Andere liefern sich mit der Verwaltung ein Spiel, bei dem man sich
wechselseitig unter exzessiver Nutzung der Kopiertaste Textbausteine „um
die Ohren haut“ und mit schier unendlichen Wiederholungen viele Seiten
füllt. Ansonsten darf der Antragsteller zuschauen, wie seine Anträge
reihenweise guillotiniert werden.
Diese Haushaltsplanberatungen nutzen niemandem. Vielleicht am
ehesten noch der Verwaltung, weil das System – von Ausnahmen
abgesehen – die Verwaltung vor lästiger politischer Einflussnahme
schützt.
So gerät politische Mitwirkung und Gestaltung bestenfalls zum schönen
Schein. Doch der Schein trügt. Faktisch ist die Mitwirkung verschwindend
gering. Haushaltstechnisch in Zahlen ausgedrückt gleich Null.
Noch einmal: Wir haben es mit vielen Anträgen versucht, wir haben es mit
wenigen Anträgen versucht. Wir haben alle Fraktionen zum Gedankenaustausch
eingeladen mit dem Ziel, den Teufelskreis zu durchbrechen.
Der Rest scheitert an interfraktioneller Sprachlosigkeit und dem Ausleben
von politischer Missgunst. Bevor eine konkurrierende Fraktion einen Erfolg
davontragen könnte, steht das Fallbeil der Abstimmung.
Oder, heute ganz aktuell, der Ausgrenzungsversuch von SPD und CDU, bei
der Besetzung der Beratungskommission für das Integrierte
Handlungskonzept per Hare-Niemeyer-Verfahren weitestgehend unter sich
zu bleiben.
Aufregen werden sich jetzt diejenigen, die das verkrustete System nicht
gefährdet sehen möchten und sich in diesem System eingerichtet haben.
Waren wir nicht angetreten, etwas zu verändern? Ausgenommen die SPD,
die bisher erklärt hatte „Alles bleibt gut!“ 9,2 Millionen oder jetzt 8,4
Millionen Defizit – alles gut? Heute sprechen Sie immerhin von
„Herausforderungen“ und „kritischer Haushaltslage“. Offen bleibt indes, wie
Sie diesen Herausforderungen begegnen wollen.
Als der Haushalt im Dezember eingebracht wurde, hatte ich den Eindruck,
dass vielen der Missmut ins Gesicht geschrieben stand. Aber drei Monate
später ist davon alles verflogen. Der Haushaltsentwurf bleibt wie er ist, von
Änderung keine Spur.
Und übrigens: Der papierene Appell der IHK „Hilden muss bei seinen
Ausgaben sparen“ verhallt in den vielstimmigen Danksagungen der
Fraktionen an die Verwaltung. – Fazit: Knicken, lochen, abheften!
Ein Rat, der sich so verhält, schafft sich selbst ab.
Die Bürgeraktion kann diesem Haushalt nicht zustimmen.
Danke fürs Zuhören!