Die letzten Sitzungen vor der Sommerpause hatten mit einer heftigen Kontroverse geendet. Sowohl im Hauptausschuss als auch im Rat hatte sich Bürgermeister Pommer im Einklang mit CDU, AfD und Allianz beharrlich geweigert, mehr Inklusion im Rathaus zuzulassen. Jetzt kommt die Kehrtwende – oder zumindest ein demonstrativ erster Schritt dahin – und gleich mit ihr eine Werbekampagne über die sozialen Medien.
Wahlkampfzeiten sind kuriose Zeiten. Da gerät so manches in Bewegung und die Bürger wundern sich. Da besinnt sich eine städtische Tochtergesellschaft beispielsweise wenige Wochen vor der Wahl, mit einem Image-Film an die Öffentlichkeit zu gehen, in dem der Aufsichtsratsvorsitzende, seines Zeichens aktuell Bürgermeister-Kandidat der SPD, medial in Szene gesetzt wird. Oder, da entwickeln ansonsten eher unscheinbare Fachbereiche der Verwaltung mit der Begründung, Jugendlichen demokratische Prozesse vermitteln zu wollen, mit einem Male ungewohnte Aktivitäten.
Ähnliches diese Woche auch an anderer Stelle im Rathaus: Die intensivere Teilhabe behinderter Menschen am alltäglichen (Berufs-)Leben – im Fachjargon Inklusion genannt –, noch vor wenigen Wochen heiß umstritten in etlichen Gremien des Stadtrats, sind dem Bürgermeister und seiner Verwaltung auf einmal eine Sonderaktion wert. So, als hätte es im Rathaus nie eine andere Meinung gegeben, bewirbt das Stellwerk einen neuen Service: Inklusionsberatung.
Als hätte der Bürgermeister sich nicht noch kürzlich, vehement gegen Forderungen gestemmt, konzeptionelle Vorschläge zur inklusiven Förderung von Gehandicapten zu entwickeln. Dagegen hatte es von vielen Seiten Kritik gehagelt. Vor allem der Behindertenbeirat hatte sich entsetzt geäußert. Aber auch von anderen Seiten, darunter der BA, hatte der Bürgermeister heftige Kritik einstecken müssen. Hatte nicht noch unlängst Pommers Verwaltung in diesem Zusammenhang auf „überdurchschnittliche Leistungen“ im Rathaus verwiesen und dies – zum Gelächter vieler Beobachter – mit „elektrisch (!) höhenverstellbaren Schreibtischen“ zu begründen versucht?
Jetzt also die Kehrtwende. Pommer rudert zurück, gibt nach. Und damit auch niemand an der behindertenfreundlichen Grundhaltung des Bürgermeisters Zweifel zu hegen sich erlaubt, startet das Stellwerk, Beratungsstelle der Stadtverwaltung für Soziales und Integration, gleich eine bei Facebook beworbene Aktion „Inklusionsberatung Stadt Hilden – Inklusion beginnt mit Dir“.
Wer auch immer sich hier angesprochen fühlen soll und ungeachtet des grundsätzlich positiven Ansatzes: Dass die Claqueure der CDU der Aktion gewiss sind, ist selbstverständlich. In fünf Wochen sind schließlich Wahlen. Und Wahlkämpfer möchten doch von allen geliebt werden – oder?
KOMMENTAR
Verrannt
Dass das Thema mit Eintritt in die sitzungsfreie Sommerzeit angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs so oder so noch nicht zu Ende war, hatte sich bereits unmittelbar nach der letzten Ratssitzung abgezeichnet. Jetzt hat Pommer selbst für eine Wiederbelebung gesorgt. Um dem Eindruck zu entgehen, die Förderung von Benachteiligten nicht mit ganzer Kraft zu unterstützen und denjenigen, die es ohnehin x-mal schwerer haben als Gesunde, Steine aus dem Weg zu räumen. Pommer täte gut daran, unumwunden zuzugeben, sich verrannt zu haben. Damit würden die Karten offen auf den Tisch gelegt. Und das Eingeständnis, sich verlaufen zu haben, von menschlicher Größe aufgefangen.