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Haushalt 2015 – von der Absurdität kommunaler Haushaltsplanberatungen und vom schönen Schein der politischen Mitwirkung in Hilden

By 19. März 2015Allgemein

Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der Bürgeraktion Hilden, Ludger Reffgen,

zur Abstimmung über den städtischen Haushaltsplan für das Jahr 2015 in der Ratssitzung

am 18.03.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

keine Sorge, ich werde keine lange Rede halten.

Erstens ist meine Stimme erkältungsbedingt angeschlagen.

Zweitens ist mit der Platzierung der Redebeiträge – unabhängig vom

Losverfahren – am Ende einer langen Tagesordnung die Wertschätzung zum

hier Vorgetragenen ohnehin klar zum Ausdruck gebracht.

Und drittens: Ich denke, angesichts des Verlaufs der

Haushaltsplanberatungen wäre eine lange Rede auch völlig unangemessen.

Denn abgesehen von einigen marginalen Änderungen und

zwischenzeitlichen Verwaltungskorrekturen und -aktualisierungen steht der

Haushalt heute so zum Beschluss, wie im Entwurf vorgelegt.

Der Sachstand ist daher schnell beschrieben. Der Haushalt wurde im

Dezember eingebracht – sehr spät, viel später als in den meisten anderen

Städten üblich. Wir meinen zu spät, denn es kommt nicht von ungefähr, dass

eine Reihe Positionen losgelöst von der Haushaltsbeschlussfassung vorab

bewilligt werden müssen.

Damals wurde – unter dem Beifall der Fraktionen – der Status vom Kämmerer

hinlänglich und sorgenvoll beleuchtet:

• Defizit rund 9 Millionen Euro;

• neue Schulden in diesem Jahr rund 6 Millionen, im nächsten Jahr 10

Millionen Euro;

• Gesamtschuldenstand in 2017 über 30 Millionen Euro;

• fiktiver Defizitausgleich durch Griff in die buchhalterisch-künstliche

Ausgleichsrücklage, die dann auch 2018 bis auf einen Rest von 4 Millionen

Euro aufgebraucht ist.

Fazit: Systematischer Eigenkapitalabbau.

Damit war die Situation im Dezember geschildert und bewertet.

Heute, drei Monate später, hat sich daran so gut wie nichts geändert. Wir

stehen am Ende von Haushaltsplanberatungen, in die – wie jedes Jahr – viel

Zeit investiert wird, die sich aber im Laufe der letzten Jahre als immer

substanzloser darstellen.

Sogenannte Haushaltsplanberatungen in gestraffter Form: Überwiegend

zwei Sitzungen an einem Nachmittag oder Abend nach 19 Uhr. Dann zum

Teil verbunden mit Hindernislauf in die Sitzungsräume. Bis zu fünf

Ausschusssitzungen zur Vorbereitung in einer Fraktionssitzung – die

Freizeitpolitiker sollen die Themen schnell durchpeitschen. Der Fehlbetrag

von 9,2 Millionen liegt im Nacken. Aber daran wird sich nichts ändern. Wie

sollte es auch, denn 99 % der Anträge landen im Abstimmungsmüll.

Eigentlich ist es dem Grunde nach für eine Oppositionsfraktion wie der

Bürgeraktion völlig absurd, die Vorlage des Haushaltsentwurfs angesichts

der obwaltenden Umstände in diesem Rat mit detaillierten

Gegenvorschlägen beantworten zu wollen.

Das hat eine Reihe Gründe, die unter anderem mit dem System der

Haushaltseinbringung und Haushaltsberatungen in Hilden zusammenhängen.

Die Misere: Der Kämmerer legt ein Gesamtkunstwerk vor, an dem sich die

Fraktionen abarbeiten dürfen/sollen. Jeder, der daran rüttelt, gefährdet die

Statik.

Grundsätzlich haben hier kleine Fraktionen per se schlechte Karten. Wir

haben es mal mit vielen Anträgen, mal mit wenigen Anträgen versucht. Aber

man könnte sich ja mal – schon gar bei schlechter Haushaltslage – über den

parteilichen Tellerrand hinaus verständigen und im Interesse der Sache

Gemeinsamkeiten ausloten. Das hat die Bürgeraktion im letzten Jahr

versucht. Mit niederschmetterndem Erfolg: Die großen Fraktionen haben

noch nicht einmal geantwortet. Eine Wiederholung erscheint folglich sinnlos.

Vielmehr gefallen sich die großen Fraktionen darin, pflichtschuldigst die

Verwaltungsvorlage zu 99,9 % zu übernehmen, ohne sich der anstrengenden

Aufgabe der politischen Führung unterziehen zu müssen.

Solange sich die Politik nicht dazu versteht, der Verwaltung bereits für die

Haushaltsaufstellung Vorgaben zu machen, wird der Rat auf das defizitäre

Ergebnis wenig Einfluss nehmen können – mehrheitlich vermutlich aber auch

gar nicht Einfluss nehmen wollen. Es sei denn, die Politik würde – wie man es

in der Wirtschaft handhaben würde – den Mut aufbringen, die Vorlage

zurückzuweisen.

Aber solche Gedanken gehören wohl eher in eine kommunale Traumwelt.

Ansonsten ist das politische Instrumentarium zur situationsangemessenen,

ernsthaften Einwirkung sehr begrenzt. Die Bürgeraktion hat sich erneut des

Mittels eines Globalbeschlusses auf Haushaltskürzung um 6 Prozent bedient,

um damit gerecht und budgetübergreifend einige Millionen Euro

einzusparen. Ein Verfahren, das so oder ähnlich in vielen Gemeinden

praktiziert wird.

Dass die Ratsmehrheit, von der Verwaltung angeleitet, den Antrag abgelehnt

hat, hat uns nicht wirklich gewundert.

Demgegenüber hielt sich aber auch die Kreativität der anderen Fraktionen in

sehr engen Grenzen:

Die CDU versucht, die Kultur zum Sparschwein der Stadt zu machen und

erklärt heute achselzuckend, dem Haushaltsentwurf zuzustimmen, weil ihr

nichts Besseres eingefallen sei.

Die SPD stellt Fragen statt Anträge, und im Kulturausschuss erfahren wir,

warum das schließlich so ist: Weil, wie uns Herr Brehmer zum

ungewöhnlichen Verfahren wortreich erklärte, man ja irgendwie der

Öffentlichkeit zeigen müsse, dass man sich mit dem Haushalt beschäftigt

habe.

Andere liefern sich mit der Verwaltung ein Spiel, bei dem man sich

wechselseitig unter exzessiver Nutzung der Kopiertaste Textbausteine „um

die Ohren haut“ und mit schier unendlichen Wiederholungen viele Seiten

füllt. Ansonsten darf der Antragsteller zuschauen, wie seine Anträge

reihenweise guillotiniert werden.

Diese Haushaltsplanberatungen nutzen niemandem. Vielleicht am

ehesten noch der Verwaltung, weil das System – von Ausnahmen

abgesehen – die Verwaltung vor lästiger politischer Einflussnahme

schützt.

So gerät politische Mitwirkung und Gestaltung bestenfalls zum schönen

Schein. Doch der Schein trügt. Faktisch ist die Mitwirkung verschwindend

gering. Haushaltstechnisch in Zahlen ausgedrückt gleich Null.

Noch einmal: Wir haben es mit vielen Anträgen versucht, wir haben es mit

wenigen Anträgen versucht. Wir haben alle Fraktionen zum Gedankenaustausch

eingeladen mit dem Ziel, den Teufelskreis zu durchbrechen.

Der Rest scheitert an interfraktioneller Sprachlosigkeit und dem Ausleben

von politischer Missgunst. Bevor eine konkurrierende Fraktion einen Erfolg

davontragen könnte, steht das Fallbeil der Abstimmung.

Oder, heute ganz aktuell, der Ausgrenzungsversuch von SPD und CDU, bei

der Besetzung der Beratungskommission für das Integrierte

Handlungskonzept per Hare-Niemeyer-Verfahren weitestgehend unter sich

zu bleiben.

Aufregen werden sich jetzt diejenigen, die das verkrustete System nicht

gefährdet sehen möchten und sich in diesem System eingerichtet haben.

Waren wir nicht angetreten, etwas zu verändern? Ausgenommen die SPD,

die bisher erklärt hatte „Alles bleibt gut!“ 9,2 Millionen oder jetzt 8,4

Millionen Defizit – alles gut? Heute sprechen Sie immerhin von

„Herausforderungen“ und „kritischer Haushaltslage“. Offen bleibt indes, wie

Sie diesen Herausforderungen begegnen wollen.

Als der Haushalt im Dezember eingebracht wurde, hatte ich den Eindruck,

dass vielen der Missmut ins Gesicht geschrieben stand. Aber drei Monate

später ist davon alles verflogen. Der Haushaltsentwurf bleibt wie er ist, von

Änderung keine Spur.

Und übrigens: Der papierene Appell der IHK „Hilden muss bei seinen

Ausgaben sparen“ verhallt in den vielstimmigen Danksagungen der

Fraktionen an die Verwaltung. – Fazit: Knicken, lochen, abheften!

Ein Rat, der sich so verhält, schafft sich selbst ab.

Die Bürgeraktion kann diesem Haushalt nicht zustimmen.

Danke fürs Zuhören!

 

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