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Die Stadt Neuss startet Anfang Januar ein Pilotprojekt. Dann kann in der Hauptgeschäftsstraße der dortigen Innenstadt zunächst ein Jahr lang die Straßenbahn gratis benutzt werden.

Ein Kommentar von Ludger Reffgen

 

„Glückwunsch!“ möchte man sagen. Die Gratulation gilt den Neusser Bürgerinnen und Bürgern, die ab Anfang Januar 2023 die Straßenbahnlinie 709 in ihrer City kostenfrei benutzen dürfen. Die Linie führt quer durch die für Autos gesperrte Einkaufsstraße und verbindet die Neusser Innenstadt mit dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Glückwunsch auch der Stadt und ihren politischen Vertretern, die offenbar erkannt haben, dass ein attraktiver Nahverkehr sowohl den örtlichen Handel fördert, als auch gleichzeitig dem Umwelt- und Klimaschutz nützt und einen Schritt in Richtung Mobilitätswende wagt. Finanziert wird das Pilotprojekt durch höhere Parkgebühren.

Online-Handel “not amused“?

In einer Zeit, in der Bund und Länder noch über die Frage streiten, ob, wie und wann das Neun-Euro-Ticket möglicherweise im Jahr 2023 fortgesetzt werden kann und – wenn überhaupt – zu welchen Konditionen und während die meisten Kommunen noch auf die sprichwörtlich „gebratenen Tauben“ von oben warten, setzt die Stadt Neuss mit ihrer Entscheidung ein klares Zeichen: pro Umwelt, pro Klimaschutz, pro Bürgerfreundlichkeit, pro Handel und Wirtschaftsförderung. Wer angesichts solcher Initiativen weniger erfreut sein dürfte, ist der Online-Handel. Aber ist das schlimm?

Das Beispiel verdient Nachahmung. Im Kreis Mettmann, und auch bei uns in Hilden. Die Frage, wann wir hier indes so weit sind, vermag aktuell noch niemand zu beantworten. Daran wird auch das derzeit für einige Hunderttausend Euro in Arbeit befindliche Mobilitätskonzept nichts ändern.

In Hilden fehlt es an Mut und Kraft, das System durchdacht umzukrempeln

Als ich vor ein paar Jahren gelegentlich eines Mobilitätsforums der IHK einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete und dabei auf das Beispiel der Stadt Monheim hindeutete, wurden vom Landrat und dem damaligen Düsseldorfer Oberbürgermeister solche Überlegungen noch ins Reich der Phantasie verwiesen. Der ÖPNV müsse finanzierbar bleiben, hieß es lapidar zur Antwort und das gehe nur über den Fahrpreis und den Verkauf von Fahrscheinen und Monatstickets.

Im letzten Sommer fand sich eine Mehrheit im Stadtrat, die Parkgebühren in der Hildener Innenstadt drastisch zu erhöhen, unter Inkaufnahme des Risikos, dass fortan möglicherweise viele Besucher aus den umliegenden Städten einen Bogen um Hilden als Einkaufsstadt machen. Denn, wie Neuss es jetzt vormacht, den Kunden gleichzeitig ein Umsteigen auf den ÖPNV schmackhaft zu machen, gibt es in Hilden nicht. Auch bei der soeben beschlossenen Verteuerung der Anwohnerparkausweise bleibt es beim bloßen Abkassieren, ohne die Mehreinnahmen in die Attraktivierung des Nahverkehrs zu stecken.

Eine Änderung ist bei den gegebenen Ratsmehrheiten wohl auch in absehbarer Zeit nicht in Sicht. Denn den Mut und die politische Kraft, das System beherzt, gründlich durchdacht und effektiv umzukrempeln, hat in Hilden zur Zeit niemand. Leider.

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