Die Bürgeraktion hat sich zusammen mit drei Parteien auf das Experiment eines gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten eingelassen. Die ersten Reaktionen zeigen: Das Projekt könnte wegweisend für einen Politikwechsel in Hilden sein.
Kommentar von Ludger Reffgen
Die Frage, wie zur nächsten Wahl mit dem Thema Bürgermeister-Kandidat umzugehen sei, quälte eigentlich seit langem. Bohrende Neugierde wie „Stellt die BA einen Kandidaten auf?“ und vor allem „Gibt es überhaupt eine Alternative zum Status quo, die eine Chance hat?“ prägten immer wieder Gespräche auf der Straße und bei vielen sich bietenden Gelegenheiten. Wie auch immer die Antworten ausfielen, eines schien sicher: So, wie bisher, konnte und sollte es nicht weitergehen.
Die Frage, wie sie zur Kommunalwahl mehr bewirken können, hat die Sprecher von drei Parteien und einer Wählergemeinschaft zusammengebracht. Nun haben die vier ein Zweckbündnis gebildet, um mit der Vergangenheit zu brechen und das bei früheren Wahlen gerne verdrängte Risiko einer aussichtslosen Kandidatur zu vermeiden.
Eine Koalition steht nicht zur Debatte
Kostet das die Beteiligten die politische Selbständigkeit? Die vier antworten mit einem entschiedenen Nein, verbunden mit dem Hinweis, dass eine Koalition gar nicht zur Debatte stehe. Vielmehr gehe es darum, ob man gemeinsam bei der Bürgermeisterwahl etwas erreichen könne.
Sicher, die punktuelle Zusammenarbeit muss sich erst einmal bewähren. Aber sie könnte ein Anfang sein, über die jetzt ins Visier genommene Personalentscheidung im September nächsten Jahres hinaus auf einzelnen Feldern Schnittmengen auszuloten und neue politische Akzente zu setzen. Beispielsweise bei der Haushaltspolitik, die unter der Ägide der Bürgermeisterin mit einem Doppelhaushalt 2020/2021 über die Köpfe des neuen Stadtrats hinweg bis weit in die nächste Wahlperiode festgezurrt werden soll.
So sind es aktuell viele Stimmen der Hoffnung, die der überparteilichen Initiative etwas Positives abgewinnen können – auf Hildens Straßen, aber auch auf den Fluren des Rathauses. Enttäuschung indes bei den Genossen. Hätte doch die Entscheidung der schwarz-gelben Landesregierung auf Abschaffung des zweiten Wahlgangs der hiesigen SPD geradewegs in die Hände gespielt. Nun soll es anders kommen: Nicht sieben Kandidaten teilen sich die Wählergunst und erlauben dem Wahlsieger mit relativer Mehrheit und einem Etwa-20-Prozent-Ergebnis das Rennen zu machen, sondern das Teilnehmerfeld dürfte sich erheblich übersichtlicher darstellen, die Wahl günstigstenfalls den Charakter einer Stichwahl bekommen.
SPD reagiert zerknirscht
Dass die SPD darüber verbittert, zerknirscht reagiert, ist verständlich. Eine Neuauflage der Konstellation von 2014 – sieben politische Gruppierungen schicken je einen Bürgermeister-Kandidaten ins Rennen – hatte schon fast wie eine politische Lebensversicherung für die Amtsinhaberin gegolten. Daraus wird jetzt nichts.
Und noch etwas hat in SPD-Kreisen überrascht: Dass die Bündnis-Grünen sich an dem Projekt beteiligen, passt offenbar nicht in die Klischeewelt einiger Zeitgenossen, die die Grünen immer noch gerne als „gewachsener Partner“ der SPD sehen. Das klingt nach Vorstellungen einer Lebenspartnerschaft, die das politische Selbstbestimmungsrecht der Grünen in Frage stellt.
Gewollt oder ungewollt hat das Bündnis mit der Präsentation eines qualifizierten Bewerbers schon jetzt die Debatte um die Defizite der Bürgermeisterin befeuert. Immerhin geht es um eine Persönlichkeitswahl. Bis zum Wahltag im September 2020 ist noch ein weiter Weg. Aber – bei allem Vorbehalt: Die Ausgangslage hat sich für die Amtsinhaberin nicht verbessert.