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Gleiches Recht für alle? In Hilden wird rechtlich mit anderer Elle gemessen.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern eine für diese Woche geplante Abstimmung über das Heizungsgesetz im Deutschen Bundestag untersagt. Eine ausreichende Vorbereitung in der Sache sei für die Abgeordneten nicht gewährleistet. Die Rechtsprechung, die die Abgeordnetenrechte stärkt, regt zu Vergleichen mit der Praxis auf kommunaler Ebene an. Was die Karlsruher Richter beanstandet haben, sei in Hilden gang und gäbe, stellt dazu die Ratsfraktion der Bürgeraktion (BA) fest.

 

Wenn im Zusammenhang mit der Zustellung von Sitzungsunterlagen vor Ratssitzungen an die Ratsmitglieder ein ähnlicher, rechtlicher Abwägungsprozess stattfinden würde, wie das Bundesverfassungsgericht ihn jetzt zur Beurteilung verletzter Abgeordnetenrechte im Deutschen Bundestag durchgeführt hat, würden vermutlich viele Ratsentscheidungen für unzulässig erklärt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. 

Darauf weist BA-Fraktionsvorsitzender Ludger Reffgen hin. Denn es komme regelmäßig vor, dass neun Tage vor einer Sitzung ein dickes Vorlagen-Paket – nicht selten von einigen hundert Seiten – den ehrenamtlichen Politikern zum Studium und zur umfassenden Vorbereitung auf eine Sitzung zugemutet werde. Dabei entspreche die Neun-Tage-Frist durchaus der Geschäftsordnung des Rates, sei also keineswegs eine Ausnahme, sondern die Regel. 

In der Praxis sehe das so aus, dass die Ratsmitglieder zum Beispiel montags abends die Sitzungsunterlagen für eine Ratssitzung am Mittwoch der Folgewoche erhielten. Dass dies bei manchmal über tausend Seiten starken Beratungsunterlagen vielfach zu Lasten der Qualität von Ratsbeschlüssen gehe, sei kaum verwunderlich. Oft erlaube es sich die Verwaltung zudem, Last-Minute-Vorlagen nachzureichen.

Richtig ärgerlich sei es jedoch, dass die gleiche Geschäftsordnung den hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeitern zur Beantwortung von Anfragen eine Soll-Frist von einem Monat einräume, die auch meistens von den dafür bezahlten Rathaus-Beamten voll ausgeschöpft, manchmal sogar überzogen werde. Beispielsweise habe es der Baudezernent unter Hinweis auf die Fristen der Geschäftsordnung kürzlich abgelehnt, vor der letzten Ratssitzung sechs Fragen der BA zur Ersatzbeschaffung eines Müllfahrzeugs von einer Million Euro ausnahmsweise innerhalb einer Woche zu beantworten.

In Karlsruhe hatte ein Parlamentarier geklagt, nachdem den Bundestagsabgeordneten für die an diesem Freitag geplante Beschlussfassung über das sogenannte Heizungssgesetz erst in der vergangenen Woche ein 110 Seiten umfassender Änderungsantrag zugegangen war. Er hatte die Wahrung seiner Abgeordnetenrechte auf gründliche Vorbereitung verletzt gesehen. Die Karlsruher Richter hatten dem Abgeordneten im Rahmen eines Eilverfahrens Recht gegeben. Die wesentlichen Textpassagen müssten den Abgeordneten mindestens 14 Tage vor der Abstimmung im Parlament vorliegen, so die Richter in ihrer Begründung.

Reffgen: „In Hilden sind Fälle wie dieser im Rat und in Ausschüssen gang und gäbe. Würde man die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts auf die kommunalpolitische Praxis in Hilden übertragen, wären viele Beschlüsse und Entscheidungen zu beanstanden. Die Karlsruher Richter fänden hier ein reiches Betätigungsfeld.“

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