Was vor Weihnachten klar und einvernehmlich schien, drohte diese Woche in der Ratssitzung zu zerbrechen. Das städtische Corona-Hilfsprogramm entging nur knapp dem Scheitern.
Ein Kommentar von Ludger Reffgen
Was für eine schwierige Geburt! Da kreist der Berg stundenlang, um am Ende eine Maus zu gebären. Denn, das sei den Kritikern zugestanden: Mit 2750 Euro lassen sich im Ernstfall wahrlich keine großen Sprünge machen. Und doch kann das Geld dem Einzelnen, in finanzielle Bedrängnis Geratenen, im Zweifel aus der Klemme helfen. Und genau dafür war es gedacht – für Notfälle, für nicht mehr, aber auch für nicht weniger.
Was war es also, das den Sitzungsverlauf am Mittwoch so schwierig gestaltete, vor solche Probleme stellte, dass zeitweise Ratlosigkeit um sich griff, wo doch ansonsten Rat und Hilfe erwartet werden? War die Freude über die scheinbare Einigung der Fraktionen am „Runden Tisch“ verfrüht gewesen? Was vor Weihnachten noch schiedlich friedlich ausgesehen hatte, darüber wurde in der Ratssitzung heftig gestritten.
Sicher, dass die SPD sich von Anbeginn mit dem Projekt „Runder Tisch Corona-Hilfe“ äußerst schwer getan hatte, war ein offenes Geheimnis. Dafür war das ganze Projekt einfach mit zu viel Wahlkampf befrachtet gewesen. Und der hallte noch nach. Immerhin ging der Anstoß im Frühjahr vergangenen Jahres auf die Initiative von Bürgermeister-Kandidat Claus Pommer zurück, der damit seine Gegenspielerin, die amtierende Bürgermeisterin, unter Zugzwang setzte. Die behauptete zwar unaufhörlich, rund um die Corona-Krise alles in bester Ordnung zu wissen, wofür ihr die SPD-Fraktion ebenso unablässig dankte; aber im Juni verschafften BA, CDU, FDP und Grüne Pommers Bürgerantrag eine Mehrheit im Rat – ein Beschluss, dem die SPD nur mit Murren und Knurren folgte.
Eine halbe Million zur Grundversorgung, nicht zur Wirtschaftsförderung
Die daraus resultierende Aufgabe, nach Anhörung der von der Krise Betroffenen ein praktikables Hilfsprogramm aufzulegen, glich der Quadratur des Kreises. Die Möglichkeiten, in einem hochdefizitären Haushalt noch Geld für soziale Zwecke abzuzweigen, ließ für phantastische Höhenflüge keinen Raum. Das mussten auch die feurigsten Befürworter in den Reihen der FDP erkennen. Es andererseits bei den Talk-Runden mit Betroffenen nach dem „Gut-das-wir mal-drüber-gesprochen-haben-Prinzip“ zu belassen, wie von der CDU favorisiert, konnte dem erkannten Problem angesichts der Corona-Lage auch nicht gerecht werden.
Auf dieser heterogenen Grundlage eine einvernehmliche Lösung zu finden, war nur auf dem Kompromissweg möglich. Die schien kurz vor Weihnachten erzielt, aufbauend auf den Erfahrungen, die die Stadt Ratingen gesammelt hatte, jedoch finanziell demgegenüber deutlich abgespeckt. Wichtigste Grundsatzentscheidung dabei: Der Fonds von 500 Tausend Euro sollte nicht der Wirtschaftsförderung dienen, sondern nur zur Grundversorgung der Hildener Bevölkerung beitragen. Dieses Grundprinzip wird leider immer wieder verkannt und insbesondere von jenen politischen Kräften ignoriert, die sich am „Runden Tisch“ nicht beteiligt haben. In den Genuss der Hilfe sollten vor allem kleine, inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte kommen, Wirte, Frisöre, Taxibetriebe, Fitness- und Balettstudios, Reisebüros, um nur einige zu nennen. Die hier nicht Erwähnten, wie Kulturtreibende und Sportvereine, sollten – so die Übereinkunft – in einer zweiten Runde im Focus stehen und eine gesonderte Hilfe erfahren.
Dieser pragmatische Rahmen drohte in der Ratssitzung zu zerbrechen. Der SPD war über den Jahreswechsel offenbar aufgefallen, dem Hilfsprogramm fehle die erkennbare Genossen-Handschrift, was mit einem kurz vor Sitzungsbeginn vorgelegten Änderungsantrag, sozusagen auf der Ziellinie, zu korrigieren sei. Noch größere Überraschung löste allerdings die CDU im Verlauf der Sitzung aus. Ihr ging es nicht nur um die Präzisierung einiger durchaus diskutabler Zuschussbedingungen, sondern sie wollte zum Erstaunen aller Beteiligter den Finanzrahmen schlechthin in Frage stellen, verbunden mit dem Vorschlag, außer einem ad hoc vom Rat zu fassenden Grundsatzbeschluss die Angelegenheit um einen weiteren Monat zu vertagen.
Nur mit Not gelang es, die diffusen, sich widersprechenden Kräfte der CDU zum Einlenken zu bewegen. Das kostete viel Mühe und noch mehr Zeit. Vor allem aber strapazierte das sprunghafte Verhalten von SPD und CDU die Glaubwürdigkeit von Rat und Verwaltung, die sich zuvor im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des gemeinsam Erreichten mit einer Gemeinschaftserklärung zu dem beabsichtigten Hilfsfonds an die Öffentlichkeit gewandt hatten. Nach monatelanger Vorbereitung, bei sich zuspitzenden Pandemie-Turbulenzen, in einer eigens für das Corona-Hilfsprogramm einberufenen Sondersitzung die Handlungsfähigkeit des Stadtrats derart zu gefährden, zeugt weder von Verantwortung noch ist es ein Nachweis von Kompetenz und Souveränität.