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WAS BÜRGER ÄRGERT – Wieviel Bauwut verkraftet Hilden noch?

By 2. März 2021Analyse

Die aktuell insbesondere über den Norden der Stadt schwappende Bauwelle lässt so manchem den Kragen platzen. Wieviel Bauwut verkraftet diese Stadt noch, ist für viele die naheliegende Frage. Zumal absehbar ist, dass sich Ähnliches auch für den Hildener Süden anbahnt.

Als die Bürgeraktion vor knapp 22 Jahren in Hilden die politische Bühne betrat, und in ihrem damaligen ersten Wahlprogramm davon sprach, sich gegen die lokale „Bauwut“ richten zu wollen, war der Begriff ein in der Stadt noch weitestgehend unerhörter. Nicht wenige glaubten, der Wortwahl die Realitätsnähe absprechen zu können, andere nutzen es, um der BA Fundamentalopposition zu unterstellen. Das ist lange her. Erst im Laufe vieler Jahre und mit wachsendem Problemdruck wich dem Begriff das Igitthafte, mauserte sich das einst belächelte Wort zur treffenden Problembeschreibung der Stadtentwicklung in Hilden. Heute bemächtigen sich seiner auch andere in der lokalen Politik, die Gefahr, mit ihm anzuecken, ist weitestgehend gebannt.

Die „Bauwut“ hat in Hilden eine lange praktizierte, politisch gewollte und aus dem Rathaus geförderte Tradition. Die Folgen sind überall sichtbar: Grün- und Freiflächen werden vernichtet, die Stadt heizt auf, der Lebensraum für Mensch und Natur wird immer enger. „Hilden platzt aus allen Nähten“, titelte im vergangenen Jahr vor der Kommunalwahl die Presse. In einer früheren Untersuchung hatte die BA schon einmal ermittelt, dass im Verlauf von knapp 20 Jahren (1995 – 2014) Flächen in der Größe von 215 großen Fußballplätzen in Hilden bebaut wurden.

Wahlversprechen in der Zwischenbilanz

An dem eigentlichen Grund, von oder über „Bauwut“ zu sprechen, hat sich nichts geändert. Die negativen Auswirkungen des fortschreitenden klimatischen Drucks, der unablässige Flächenfraß, die zunehmend empfundene, nicht nur den Pandemie-Beschränkungen geschuldete städtische Enge – all das lässt viele Menschen eher noch sensibler werden für den Raum, der ihnen zum Leben bleibt. Wir wollen die vier Monate, die der Stadtrat nunmehr im Amt ist, für eine erste Zwischenbilanz nutzen.

An großen Versprechen, der „Bauwut“ und ihrer Folgen abschwören zu wollen, Freiflächen zu schützen und die Stadt nicht weiter zuzubauen hatte es zur Kommunalwahl wahrlich nicht gemangelt – da waren sich alle angetretenen politischen Gruppierungen eigentlich einig gewesen. Seither bot sich dem Stadtrat bisher drei Mal die Chance, durch Entscheidungen direkt oder indirekt Einfluss auf die städtebauliche Entwicklung in Hilden zu nehmen.

1. An der Stelle der Tennis- und Golf-Ranch Bungert soll ein über 80.000 Quadratmeter großes Gelände mit riesigen Hallen für ein Gewerbegebiet bebaut werden. Betroffen sind nicht nur die bisher für den Sport genutzten Gebäude- und Tennenflächen, sondern auch 30.000 Quadratmeter Feld und Wiesenbereiche. Die BA hat vorgeschlagen, diese für das Klima und die Luftzirkulation im Hildener Norden wichtigen Freiflächen zu erhalten und nicht zu bebauen. In namentlicher Abstimmung votierten jedoch die meisten Ratsmitglieder für die Komplett-Bebauung – unabhängig davon, was vor der Kommunalwahl zum Freiflächenschutz versprochen wurde. Bei dem Gelände geht es um viel Geld, denn die Ratsentscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Wert des Areals. Während der letzten Wochen wurden einige Tausend Quadratmeter Baumbestände gefällt.

2. An der Hofstraße hatte die Politik über ein tiefes Garten- und Hintergelände zu entscheiden, das bis vor die Bahnlinie bebaut werden soll. 7.000 Quadratmeter stehen zu Debatte. Die BA hat vorgeschlagen, es bei einem Mehrfamilienhaus-Neubau mit öffentlich geförderten Wohnungen entlang der Straße zu belassen und das Hintergelände in Richtung „Karnap-West“ zu verschonen. Der BA-Antrag wurde jedoch von einer „Großen Koalition“ überstimmt. Begründung: Sozialwohnungen seien wichtiger als Grünflächen.

3. Die Hauptschule an der Furtwänglerstraße ist bereits vor Jahren aufgegeben worden. Auf dem städtischen Grundstück können etwa hundert neue Wohnungen gebaut werden. Da es in Hilden nicht an teuren Wohnungen mangelt, aber umso dringender an bezahlbaren, hat die BA vorgeschlagen, die bisherige Schulfläche für öffentlich geförderten Wohnungsbau zu nutzen, zu 100 Prozent. Argument: Der Bestand an Sozialwohnungen geht in Hilden dramatisch zurück, weil seit Jahren sehr viel Wohnraum aus der Sozialbindung fällt, ohne diesen Verlust angemessen auszugleichen. Das hat die Suche nach einer preiswerten Wohnung für viele in Hilden immer aussichtsloser werden lassen. Bei der Suche nach einem Investor und den Vergabeentscheidungen spielten diese Gesichtspunkte für die anderen Ratsfraktionen jedoch keine oder nur eine minimale Rolle. Mit großer Mehrheit wurde gegen die BA bestimmt, dass auf dem stadteigenen Areal wieder überwiegend teure, freifinanzierte Wohnungen gebaut werden, die vor allem für Auswärtige interessant sind, weil es beispielsweise ein Preisgefälle zum Düsseldorfer Wohnungsmarkt gibt. Sozialwohnungen sollen stattdessen in den Gärten nahe der Bahnlinie bei „Karnap-West“ an der Hofstraße entstehen, zu Lasten der dortigen Grünflächen (s. Punkt 2).

Bei allen drei Entscheidungen ist sich die BA ihrer Wahlaussage treu geblieben.

Übrigens: Um eine Handlungsempfehlung für politische Entscheidungen zur Stadtentwicklung zu bekommen, muss nicht auf das in einigen Jahren vorliegende Mobilitätskonzept gewartet werden. Schon vor neun Jahren hat der Stadtrat ein unter wissenschaftlicher Begleitung und gutachterlicher Empfehlung erarbeitetes „Strategisches Stadtentwicklungskonzept“ beschlossen, das die baulichen Entwicklungsziele der bereits hochverdichteten Stadt festlegte – um alsbald, kaum dass es bezahlt und beschlossen war, zur Makulatur abgestempelt zu werden, in den Schubladen des Rathauses verschwand und nie mehr gesehen wurde.

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