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Wie Mythen entstehen

By 25. Juli 2020Analyse

Ein guter Bürgermeister oder eine gute Bürgermeisterin zeichnen sich unter anderem durch Umsicht für ihre Stadt aus. Mit Souveränität lässt sich punkten. Das hat auch im Wahlkampf Bedeutung. Und wenn es de facto an herausragenden Eigenschaften etwas mangelt, ist es in der Regel an den Parteizentralen und Marketingstrategen, derartige Defizite werblich individuell zu kompensieren.

In dieser Rolle sah man diese Woche die Lokalredaktion der „Rheinischen Post“. Als es darum ging, der Öffentlichkeit einen neuen, noch vakanten Teilzeitjob im Rathaus vorzustellen – die Stadt ist auf der Suche nach einem „Klimaschutzmanager“ als Halbtagskraft -, nutzte der Redakteur die Gelegenheit, die Bürgermeisterin umweltpolitisch und auch sonst in rechte Licht zu rücken.

Sie sei es gewesen, der es gelungen sei, Bewegung in die festgefahrene Situation zu bringen, nachdem die Fraktionen gut ein Jahr lang über das Klimafolgenanpassungskonzept diskutiert und gestritten hätten. Sie habe vorgeschlagen, nicht erneut ein Klima-Konzept extern in Auftrag zu geben, sondern diese Aufgabe einer ämterübergreifenden Projektgruppe im Rathaus zu übertragen. „Eine gute Idee, waren sich alle sieben Fraktionen einig“, resümiert die RP zur Reaktion der Politik, die mit einem kleinen Griff in die verbale Trickkiste Kompetenz suggerieren soll.

Uns hat die Darstellung in der Tageszeitung veranlasst, noch einmal in Sitzungvorlagen und Protokollen zu blättern und eine kleine Chronologie zu erstellen, die der Autor nicht nur kommentierend der RP zur Verfügung gestellt hat, sondern die wir auch unseren Lesern nicht vorenthalten wollen:

„Klima-/Sinneswandel“

„Hochinteressant, wie in dem Artikel die Fakten verdreht werden. Als unmittelbar Beteiligter habe ich das anders in Erinnerung:

Juli 2018: Antrag der BA, die Stadt möge zu Klimawandel und Hitzebelastung konzeptionell Vorsorge-Strategien entwickeln;      Nov. 2018: Laut Bürgermeisterin kann ein Klimafolgenanpassungskonzept nur mit externer Hilfe erarbeitet werden (Kosten 50 – 100 Tausend Euro);
Jan. 2019: Anhörung von Klimaexperten, die dem Rat Handlungsempfehlungen geben;
Febr. 2019: Die Bürgermeisterin wiederholt ihre Haltung, ein Klimafolgenanpassungskonzept nicht mit eigenen Kräften erarbeiten zu können; der Umweltausschuss vertagt eine Entscheidung;
Juni 2019: Um weiter zu kommen, beauftragt der Umweltausschuss die Verwaltung, Eckpunkte für ein notgedrungen extern zu erstellendes Klimaanpassungskonzept vorzulegen;
Juni 2019: Der öffentliche Druck nimmt zu: Bürger beantragen die Ausrufung des Klimanotstands durch den Rat der Stadt;
Sept. 2019: Die Bürgermeisterin gibt ihre bisherige Haltung auf, nur mit externer Hilfe ein Klimakonzept vorlegen zu können und schlägt dem Rat vor, ein umfassendes und flexibles Konzept im Wesentlichen verwaltungsintern durch eine ämterübergreifende Projektgruppe erarbeiten zu lassen. Dem folgt der Rat.

Die kleine Chronologie macht deutlich, wie lange die Bürgermeisterin der ursprünglichen Antragsforderung im Weg gestanden hat und über ein Jahr für einen Sinneswandel benötigte. Dass in Hilden jetzt ein Klimaschutzmanager auf Sparflamme tätig werden soll, beweist neuerlich, welchen Stellenwert die Rathausspitze dem Problem beimisst.

Ludger Reffgen, Fraktionsvorsitzender Bürgeraktion Hilden“

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