200 neue Wohnungen – Ausschuss verwirft die eigenen Vorgaben – Redet Baudezernent dem Bauträger nach dem Mund?
Hilden bekommt ein neues großes Bauprojekt. Auf dem Gelände der Firma Brüninghaus & Drissner an der Itterstraße sollen circa 200 neue Wohnungen entstehen. Das bekamen die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses in ihrer jüngsten Sitzung aufgetischt. Das Vorhaben soll in mehreren Phasen von der Neustraße her umgesetzt werden. Den Politikern lag ein sogenannter Masterplan vor, den sie in ihrer Mehrheit abgesegneten. Die Bürgeraktion (BA) hat den Plan als einzige Fraktion abgelehnt. Begründung: Die unmäßige Baupolitik lasse Hilden aus allen Fugen platzen.
Als überzogen und stadtentwicklungspolitisch unverträglich hat der BA-Fraktionsvorsitzende Ludger Reffgen den Masterplan für die Bürgeraktion zurückgewiesen. Damit reagierte die BA auf die im Auftrag des Projektträgers erstellte Planung, die auf dem bisherigen innenstadtnahen Industrieterrain mittlerweile bis zu 200 neue Wohnungen vorsieht. In Vorentwürfen war noch von rund 100 neuen Wohneinheiten die Rede gewesen.
Sowohl das Abstimmungsergebnis zwischen Bauamt und Bauträger als auch die politische Bewertung der Fraktionen stünden im glatten Gegensatz zu den bisherigen Vorgaben des Ausschusses. Der habe nach Angaben des BA-Fraktionsvorsitzenden im vergangenen Jahr auf Anregung der CDU einstimmig eine Begrenzung der Geschossfläche auf 14.000 Quadratmeter beschlossen, was von der Verwaltung gegenüber den ersten Entwürfen mit einer Reduzierung um ein Geschoss gleichgesetzt worden war.
Doch statt einer Reduzierung sei die städtebauliche Dichte mit dem jetzt vom Rathaus vorgelegten Masterplan sogar noch erhöht und auf eine weitestgehende Fünfgeschossigkeit getrieben worden – „und zwar nicht nur dort, wo man es zur Bahntrasse hin noch mit Schallschutz begründen könnte“, so Reffgen.
Trotz dieser Widersprüche hätten die meisten Fraktionen den Plan über den grünen Klee gelobt und von einer „positiven Entwicklung“ gesprochen. Die CDU habe von ihrem einstigen Vorschlag des Maßhaltens nichts mehr wissen wollen und sich damit argumentativ völlig kurs- und orientierungslos gezeigt. Die FDP habe eine höhere Verdichtung vorrangig mit Sorgen um eine zu kurz kommende Wirtschaftlichkeit für den Bauträger zu rechtfertigen versucht, während SPD und Grüne sich durch die Vielzahl neuer Wohnungen mit moderner Energietechnik blenden ließen, was zwar letztlich als Verkaufsargument für hochpreisige Wohnungen diene, den eigentlichen Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Hilden jedoch kaum zu lösen helfe.
Überhaupt sei es mehr als fragwürdig, wenn der Anteil an geförderten oder preisgedämpften Wohnungen nicht eingerechnet werde, sondern faktisch trickreich zum Schluss noch oben drauf komme. Reffgen in Anspielung auf eine Kontroverse in der Ausschusssitzung: „Das kommt dabei heraus, wenn dem Baudezernenten das Lob und die Gunst des Bauträgers unheimlich wichtig sind.“
Nach gefälligen Bemerkungen gegenüber Bauträger: Baudezernent entschuldigt sich für auf Klüngelei deutende Äußerungen
Eine brisante Wendung nahm die Sitzung, als der Fraktionschef der Bürgeraktion, Ludger Reffgen, dem Baudezernenten vorhielt, dem Bauträger nach dem Mund reden zu wollen. Zuvor hatte der Technische Beigeordnete mehrfach betont, wie wichtig es ihm sei, mit seinen Darstellungen, die Zustimmung der im Publikum anwesenden Firmenvertreter zu finden und deren Erwartungen zu entsprechen. „Ich halte es für äußerst bedenklich, wenn der Baudezernent versucht, mit seinen Äußerungen der Erwartungshaltung von Bauträgern gerecht zu werden“, hatte Reffgen dem Chef des Technischen Dezernats im Rathaus daraufhin vorgehalten. Der ruderte darauf eilends zurück und erklärte, sich möglicherweise missverständlich ausgedrückt zu haben, wofür er sich entschuldige. Es sei ihm darum gegangen, dass mit dem Bauträger zur weiteren Planung erzielte Abstimmungsergebnis übereinstimmend vorzutragen.
Wie Reffgen erläutert, sieht die BA das Vorhaben stadtentwicklungspolitisch in einem größeren Zusammenhang. Natürlich spiele auch Wohnraum eine Rolle, aber nicht ausschließlich, sondern gleichberechtigt neben anderen Sorgen, die die Stadt im Auge behalten müsse. Zumal Hilden bereits jetzt hochgradig dicht bebaut ist, diesbezüglich an zehnter Stelle in NRW liege und diesen Wert nicht noch toppen müsse. Die Folgen für das Aufheizen der Stadt seien schon jetzt unübersehbar und stellten Maßnahmen wie den Hitzeaktionsplan vor große Probleme. Auch infrastrukturelle Auswirkungen blieben im Stadtentwicklungsausschuss völlig außer Betracht. Zwar sei erklärtermaßen bei den Neubauten wie immer vor allem an junge zuziehende Familien gedacht. „Aber kein Wort darüber, dass in Hilden schon jetzt 400 Kita-Plätze fehlen und das Problem mit überdimensionierten Bauprojekten nochmals unnötig verschärft wird.“
Reffgen: „Wir zahlen stadtentwicklungspolitisch einen hohen Preis für eine unmäßige Baupolitik, die den Rattenschwanz an Konsequenzen außer Acht lässt. Dieser Rattenschwanz kommt aber unweigerlich auf uns zu.“