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Wochenkommentar: Warum die Macht der Rathaus-Verwaltung unterschätzt wird

By 16. August 2020Analyse, Kommentar

Die „Rheinische Post“ berichtet in den letzten Wochen in einer Reportage-Serie über sogenannte Wahlprüfsteine. Hinter dem Schlagwort verbergen sich mehr oder weniger kritische Analysen zu kommunalen Top-Themen, denen aus Sicht der Zeitung für die Kommunalwahl-Entscheidung am 13. September besondere Relevanz zukommt. Das damit geschaffene Forum lässt auch Betroffene zu Wort kommen, die zur unvermeidlichen Frage „Was läuft schief in Hilden?“ mit Kritik nicht geizen und zum Teil Beträchtliches beizutragen haben. Die Redaktion ihrerseits ist bemüht, in einem gesonderten Beitrag diese Kritik zu relativieren, vornehmlich mit dem sich abzeichnenden Ziel, das Rathaus aus der Schusslinie zu bringen.

Missstände und Fehlentwicklungen in der Stadt auf Beschlüsse des Rates zurückzuführen – die Schlussfolgerung ist naheliegend. Sie ist auch generell nicht falsch, trifft den Kern des Problems jedoch nur unzulänglich. Das sich für den Beobachter in letzter Zeit häufende Verwirrspiel bei der sich auftuenden Frage nach Schuld und Unschuld war für uns Anlass, dem Verschieben von Zuständigkeiten und Verantwortung zwischen Rat und Verwaltung unseren Wochenkommentar zu widmen.

 

Vom Zustandekommen von Ratsbeschlüssen und der Verantwortung für die Folgen

Der Rat trägt zweifelsfrei eine hohe Verantwortung. Die wird die „Rheinische Post“ auch nicht müde, immer wieder herauszustellen. Aber welche Rolle spielt beim Zustandekommen von Beschlüssen eigentlich die Verwaltung?

In einem neulich erschienen Bericht zur Kinderbetreuung heißt es: „Im Kita-Bereich sind derzeit 13,36 Vollzeitstellen unbesetzt. (Stand: Ende Mai), davon sind fünf befristet, einige mit geringer Stundenzahl ausgeschrieben – weil das so vom Stadtrat gewollt ist. Für Erzieherinnen sind solche Stellen wenig attraktiv. Deshalb fällt es der Stadtverwaltung schwer, sie besetzt zu bekommen.“

An anderer Stelle berichtete die RP diese Woche über leere Fahrradboxen. Dort belehrt der Autor am Ende den Leser: „Nicht die Verwaltung verlangt die Gebühren, sondern der Stadtrat. Die Verwaltung setzt nur einen Mehrheitsbeschluss des Bürgerparlaments um.“

Was die Berichte verschweigen: Den genannten Beschlüssen vorgelagert ist eine Beschlussempfehlung der Verwaltung, die die Handschrift der Bürgermeisterin trägt. Diese für den Rat als Orientierung gedachte Empfehlung wird insbesondere bei den großen Fraktionen – von Ausnahmen abgesehen – in der Regel als Credo und Handlungsmaxime verstanden, der mit entsprechendem Abstimmungsverhalten ergeben gefolgt wird.

So übersieht der Autor, dass es in beiden Fällen (von Minderheitsfraktionen) Initiativen aus der Politik gab, die Befristung der Stellen aufzuheben, oder auf eine Gebühr für die Fahrradboxen zu verzichten. Die Verwaltung hielt dagegen und empfahl dem Rat, anders – das heißt im Sinne der Verwaltungsspitze – zu entscheiden. Dem folgte der Rat in beiden Fällen mehrheitlich. Die bedauerlichen Ergebnisse sind in den Zeitungsberichten nachzulesen.

Ohne den Rat und explizit seine Mehrheit für sein Handeln in Schutz nehmen zu wollen – aber die Verwaltung und insbesondere ihre Spitze von jeglicher (Mit-)Verantwortung zu entlasten, wird einer objektiven Betrachtung nicht gerecht.

Wer die Zusammenhänge und das übliche Ablaufschema kennt, weiß, dass es anders ist: Die Bürgermeisterin hat zwar bei der abschließenden Abstimmung tatsächlich nur eine Stimme, wie immer wieder betont wird, macht ihren richtungsweisenden Einfluss jedoch bereits beim Zustandekommen der Beschlussempfehlung der Verwaltung geltend. Dort liegt die Hauptverantwortung der Verwaltungschefin. Den Rest erledigt die Ratsmehrheit, indem sie diese Meinung übernimmt, zum Beschluss erhebt und durchwinkt. Ludger Reffgen

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